Verpatzte Premiere
Ich hatte es getan! Nachdem ich vor einiger Zeit erfolgreich beim Wolfi in Seekirchen den Segel-Grundschein erworben hatte, habe ich mich auf die Suche nach einem gebrauchten Segelboot begeben. Beim Bootsverleiher Kapeller wurde ich fündig.
In seiner Garage lag ein älteres Segelboot zu einem erschwinglichen Preis. Wenn ich sage älter: Mit ihren 20 Jahren war sie schon ein bisserl betagt – sie stand in ihren jüngeren Jahren Sommer für Sommer im harten Verleiheinsatz beim Kapeller. Aber Schöchl-Boote stehen im Ruf, stabil konstruiert zu sein die überstehen wohl so manchen Rempler. Nach einer kurzen Probefahrt waren wir uns handelseinig. Ich war jetzt stolzer Besitzer einer "Aquila".
Das war genau der selbe Bootstyp, mit dem ich in der Segelschule meine ersten Übungsschläge auf dem Wallersee absolviert hatte. Lang war sie, die Aquila, auch zu viert fand man ganz kommod Platz in der Plicht. Der rote Rumpf und das weiße Deck standen ihr gut, später sollte der Name "Rosso & Bianco" ihren Bug zieren.
Einen schönen Steg-Liegeplatz im Kapellerhafen in Seekirchen hatte ich auch bekommen. Die ersten Tage verbrachte ich damit, mein Schiff liebevoll zu reinigen, Leinen zu erneuern und alles an Bord zu bringen, was mir auf dem See von Nutzen sein konnte.
Es war an einem Tag im Sommer, es gab guten Wind und bevor ich mit meiner Neuerwerbung erstmals richtig auslaufen wollte, schaute ich noch zur Segelschule. Ich hatte dort Leinen und Schäkel bestellt, um das laufende Gut meiner Aquila sukzessive zu erneuern.
Auf der Terrasse der Segelschule saßen auch der Erwin und der Thomas bei einem kühlen Getränk. Ich kannte die beiden vom Unterricht in der Segelschule. Sie waren bereits ausgebildete Segler mit Brief und Siegel und kamen regelmäßig hier her, um sich bei gutem Wind ein Segelboot auszuleihen. Als sie mich zu meiner Neuerwerbung beglückwünschten, war es eine Ehrensache, die beiden zu meiner ersten Ausfahrt einzuladen.
Mir war es sehr recht, dass die beiden gleich zusagten. Im Gegensatz zu mir hatten die zwei schon einiges an Segelerfahrung. Ich hatte meinen Segel-Grundschein eben erst gemacht und meine ganze Segelerfahrung stammte von ein paar Ausfahrten während einer zumeist schwach windigen Juli-Woche. Ehrlich gesagt, der Grundschein ist halt nur so eine Art "Einstiegsdroge" für’s Segeln. Die Vorstufe zum A-Schein, dem Segel-Binnenpatent. Man weiß dann halt schon ein bisserl über Segelboote Bescheid - wie man beim Boot vorn und hinten nennt, an welchen Schnüren du ziehen musst, um in Fahrt zu kommen oder wie man seine Ausfahrt mit einem Aufschießer wieder beendet, ohne dabei Boot oder Steg zu zerstören.
Scheinbar verleihen nicht mal alle Bootsverleiher ein Boot an Inhaber eines Grundscheins. Bei manchen mußt du einen Kringel vorfahren, um zu beweisen, dass du ein Boot beherrschst. Wir hatten an jenem Tag ziemlich heftigen NO-Wind mit guten 4 Windstärken und meine beiden Mitsegler waren mir neben ihrer Erfahrung auch für einen guten Gewichtstrimm äußerst willkommen.
Als wir meinen Liegeplatz verlassen und die Segel gesetzt hatten, ging die Aquila ab wie das vom Wolfi vielzitierte "Fieberzapferl". Vom Bug erscholl ein bisher noch nie erlebtes Rauschen und die Heckwelle die wir aufwarfen, war der eines Motorbootes würdig. Ich war so stolz auf mein eigenes Boot! Meine beiden Mitfahrer gaben mir Tipps zur Verbesserung der Segelstellung und sie hängten sich wacker auf die Kante, damit wir ordentlich voran kamen.
Nach ein paar Schlägen hatten wir die Seekirchener Bucht verlassen und ich bot dem Erwin an, das Ruder zu übernehmen. Wir tauschten die Plätze und kurz darauf schoß mein Boot in Rauschefahrt weiter in Richtung Fenninger Spitz. Im Gegensatz zu mir hatte der Erwin das Groß extrem dichtgeholt, und wir pflügten hurtig aber mit sagenhafter Krängung dahin. Ich hing wie Thomas an der Backbordseite, die Füße in den Ausreitgurten und den Oberkörper über dem Wasser und hatte wohl gerade mein breitestes Grinsen aufgesetzt, da krachte es plötzlich am Heck. Die Aquila ließ sich nicht mehr richtig steuern und schoß in den Wind.
Wir blieben mit knatternden Segeln mitten auf dem See liegen. Nachdem wir die Fock weggerollt hatten, konnten wir uns um das Problem am Heck kümmern. Eines der beiden Stahlbänder, die die Kraft von der Pinne auf das Ruderblatt übertragen und mit denen das Ruder am Heck befestigt ist, war abgebrochen! Das Ruder hing jetzt nur mehr an einem Befestigungspunkt und stand ganz schräg im Wasser. So schnell kann ein Hochgefühl wieder verfliegen und Ärger und Enttäuschung machte sich bei mir breit.
Dass so etwas gerade bei meiner ersten Ausfahrt, meiner Premiere mit Gästen, passieren musste! Hatte mein Boot vielleicht noch andere verborgene Mängel? Wie sollten wir jetzt mit dem angeschlagenen Boot wieder nach Hause kommen? Ich hattte nur ein einziges, altersschwaches Paddel an Bord. Da machte sich die Routine meiner beiden Mitsegler bezahlt. Mit geringstmöglicher Segelfläche und ganz wenig Krängung, um ja keinen zu großen Ruderdruck aufzubauen, schafften wir es zu wenden und bei halbem Wind und gefierten Schoten wieder in die Seekirchener Bucht retour zu kreuzen.
Für das letzte Stück hatten wir den Wind gottseidank achterlich, so dass wir ohne weitere Beschädigung wieder in meine Box zurück kamen. Dem Erwin war es sichtlich ein wenig peinlich, dass das gerade ihm passieren musste. Wir trösteten uns zunächst mit einem Glas Bier auf der Segelschul-Terrasse und nach einem weiteren sah die Welt für mich schon wieder freundlicher aus: Der Verkäufer, mit dem ich in der Zwischenzeit gesprochen hatte, versprach das Ruder kostenlos zu reparieren. Ja, meine erste Ausfahrt mit Gästen hatte ich mir wirklich anders vorgestellt!
Hier auf dem Foto sieht man die etwas filigrane Ruderaufhängung der Aquila. Später stellte sich heraus, dass die Ruderbefestigung wirklich eine Schwachstelle meines Bootes war. Im nächsten Jahr passierte mir nämlich das gleiche Missgeschick bei Starkwind und hohem Ruderdruck noch einmal. Diesmal war mein Boot aber bereits mit einem Elektro-Flautenschieber ausgerüstet, sodass ich zwar etwas in meiner Seglerehre geknickt, aber ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, wieder nach Hause schleichen konnte.